Beagle von der Theresienhöhe- to be different makes the difference -Die HündinIn Gesprächen und Diskussionen bin ich immer wieder überrascht, wie wenig viele Hundehalter über das Sexualverhalten ihrer Vierbeiner wissen, und wie viele in Stein gemeißelte Ansichten es dazu gibt. Die physiologisch völlig normalen Veränderungen, die eine Hündin im Laufe der Zyklusphasen durchlebt, und die mit körperlichen und Verhaltensänderungen verbunden sind, sowie das Zusammenleben mit einer gemischten Hundegruppe intakter Hunde beiderlei Geschlechts wird pauschal als „unzumutbarer Stress“ bezeichnet. Aber ist das wirklich so?! Was passiert überhaupt in der Läufigkeit einer Hündin? Das erste Mal – Wann eine Hündin das erste Mal läufig wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen spielt die Größe eine Rolle, und zusammenfassend lässt sich sagen, dass kleine Hunde früher in die erste Hitze kommen als große. Bei Chihuahua und Co sollte man ab dem 6. Lebensmonat damit rechnen, bei deutlich größeren Artgenossen, wie beispielsweise den Herdenschutzhunden, die bekannt für ihre langsamere Entwicklung sind, ist es normal, wenn sich die Läufigkeit das erste Mal mit eineinhalb Jahren ankündigt oder gar zwei Jahre auf sich warten lässt. Wenn sich bis dahin immer noch nichts getan hat, sollte man die Hündin einem Tierarzt vorstellen. Der Eintritt in die erste Läufigkeit wird häufig auch vom Umfeld mitbestimmt: entweder synchronisieren sich Hündinnen, und die jüngere macht einfach mit, wenn die ältere wieder soweit ist, oder aber die ältere Hündin „deckelt“ die kleine, die dann erst mal gar nicht läufig wird. Auch der Ernährungszustand spielt eine Rolle: Nur wenn genug Fettreserven vorhanden sind, lohnt es sich überhaupt, einen so energiezehrenden Vorgang einzuläuten. Denn ohne Energiereserven wäre eine Trächtigkeit sowieso nicht möglich.
Oft brauchen Hündinnen bis zu drei Läufigkeiten, bis sich alles „eingespielt“ hat, sprich, bis die Abstände und die Dauer regelmäßig werden und bis die Hündin selbst mit ihrem plötzlich veränderten Hormonstatus zurechtkommt. In diesem Zeitraum findet auch ein weiterer wichtiger Entwicklungsprozess statt, der auch von den Sexualhormonen beeinflusst wird: die Pubertät. Halter von intakten Hündinnen werden mir zustimmen, dass die Entwicklung, die die Hündin von Läufigkeit zu Läufigkeit in der Pubertät in richtig „erwachsenes Verhalten“ durchmacht, deutlich zu erkennen ist. Abweichungen von der normalen Läufigkeit Die Intervalle zwischen den Läufigkeiten betragen üblicherweise ungefähr ein halbes Jahr, aber es gibt auch Hündinnen, die 3 x im Jahr läufig werden – oder aber nur einmal. Mit dem Alter verlängern sich die Intervalle in der Regel, und sie werden oft milder – in die Wechseljahre wie wir Menschen kommen Hunde aber nicht, die Hündin wird also bis an ihr Lebensende läufig. In der Regel sind die Hündinnen 21 Tage läufig. Die Duldungsphase, in der sie deck- und aufnahmebereit sind, dauert aber meist nur fünf oder sechs Tage, der Beginn dieser sogenannten Stehtage ist aber von Hündin zu Hündin verschieden. Die eine steht bereits am achten, die andere dagegen am siebzehnten Tag. Als Läufigkeit bezeichnet man den Proöstrus und den Östrus der Hündin. Wie alles beginnt: Der Proöstrus oder die „Vorbrunst“ Insgesamt führt dieser Cocktail aus Hormonen und Botenstoffen dazu, dass auch aus einer Couch-Potato plötzlich eine kleine „ADHSlerin auf Speed“ wird, die die nächsten Wochen kaum zu bremsen sein wird. Das merkt auch der potentielle männliche Interessent: wer sich auf die Stelle als Vater bewirbt, wird erst mal platt gespielt, denn eine Hündin weiß, dass Rüden, die spielen, fit, gesund und frei von Stress sind, und dass das Risiko, dass ein solcher Rüde nachher den Nachwuchs tötet, gering ist. Denn für eine Hündin steht viel mehr auf dem Spiel als für den Rüden, weil sie es ist, die die kräftezehrende Trächtigkeit und die Aufzucht der Welpen übernehmen muss. Aber auch der Rüde testet die Hündin durch Spiel auf Gesundheit und Fitness. Oft ist gerade dieses vermehrte Spielverhalten das Erste, was dem Halter Hinweise auf die bevorstehende Läufigkeit gibt. Anders aber das Verhalten anderen Hündinnen gegenüber: damit, dass potentielle Konkurrentinnen in dieser Zyklusphase nicht unbedingt freundlich behandelt werden, muss man als Halter rechnen. Je länger der Proöstrus dauert, desto mehr synchronisieren Rüde und Hündin ihr Verhalten. Es wird dann nicht nur vermehrt gespielt, sondern auch paargelaufen, die Öhrchen werden liebevoll abgeschleckt etc. Fruchtbar ist die Hündin in dieser Phase allerdings noch nicht, und das weiß sie. Sie wird den Rüden trotz aller charmanten Versuche nicht aufreiten lassen, sondern bei Deckversuchen ausweichen, „zickig“ reagieren oder ihn wegbeißen. Der Ausfluss der Hündin wechselt im Laufe des Proöstrus von blutig zu „fleischwasserfarben“, wird also immer klarer. Oft wird Hündinnen in dieser Phase ein Höschen zum Schutz gegen Blutflecken angezogen, aber meiner Erfahrung nach lernen Hündinnen in der Regel sehr schnell, sich sauber zu halten, wenn man ihnen denn ohne Höschen die Gelegenheit dazu gibt. Der Proöstrus dauert durchschnittlich neun Tage, kann aber auch deutlich länger oder kürzer sein. Zwischen drei und 17 Tagen ist alles möglich. Mittendrin: Der Östrus oder die „Brunst“ Hormonell sinkt mit dem Übergang vom Proöstrus zum Östrus die Produktion von Östrogen, was wiederum einen Anstieg an LH (das luteinisierende Hormon) nach sich zieht, das den Östrus einleitet. In Folge dieses LH-Peaks steigt ein weiteres Hormon in seiner Konzentration an, das Progesteron, das auch als Trächtigkeitshormon bezeichnet wird, und das alles auf eine Trächtigkeit vorbereitet wird. Für Hundebesitzer gilt spätestens jetzt: auf die Hündin aufpassen, Leine dran und Rüden meiden – wenn man nicht 63 Tage später viele kleine hungrige Mäuler stopfen möchte! Wenn der Spuk vorbei ist: Der Diöstrus (= Nachläufigkeit) Progesteron beeinflusst seinerseits die Gamma-Amino-Buttersäure (GABA), indem es an die dafür vorgesehenen Rezeptoren bindet, und verstärkt dadurch Dauer und Intensität von GABA. GABA ist wiederum der wichtigste hemmende Botenstoff im Gehirn und wirkt beruhigend, angstlösend und entspannend. Das macht auch Sinn, denn wer meint trächtig zu sein, sollte sich schonen und in dieser Phase nicht unbedingt Interesse am Bungee-Jumping ohne Seil haben… Hündinnen werden also ruhiger und sind oft sehr sanft, anhänglich und wenig risikobereit. Man könnte der Hündin also unterstellen, dass sie das Porzellan, das sie im Proöstrus zerschlagen hat, nur wieder kitten möchte, um danach potentielle Babysitter für den eigenen Nachwuchs zur Verfügung zu haben. Abgesehen davon bekommen wir aber von der Scheinträchtigkeit relativ wenig mit, und wenn Menschen von Problemen mit der Scheinträchtigkeit reden, meinen sie in der Regel die Scheinmutterschaft, also die Phase, die sich an die Scheinträchtigkeit anschließt und in der die Welpen bereits da wären. Die Ausprägungen der Scheinmutterschaft sind sehr unterschiedlich, und während man bei vielen Hündinnen davon kaum etwas bemerkt, schwillt bei anderen das Gesäuge an und sie zeigen vollständiges Brutpflegeverhalten. Dieses wird vom Hormon Prolaktin gesteuert, das zum einen für die Milchproduktion zuständig ist, zum anderen aber auch für die Brutpflege, weswegen manche Hündinnen, auch wenn sie nicht gedeckt wurden, beginnen Wurfhöhlen in den Golfrasen zu buddeln, Stofftiere zu bemuttern und Milch zu geben. Da das Prolaktin im Gehirn gebildet wird, kann das auch bei kastrierten Hündinnen bei auslösenden Reizen wie dem Kindchenschema oder dem Duft von Jungtieren der Fall sein. Scheinträchtigkeit ist keine Krankheit! Klar ist aber auch, dass einer Hündin, die wirklich regelmäßig Probleme im Diöstrus bekommt, mit einer Kastration geholfen werden kann. Aber das sollte eine Einzelfallentscheidung sein und auf keinen Fall vor der 3. Läufigkeit passieren, weil es, wie oben geschrieben, oft so lange dauert, bis die Läufigkeiten sich „einpendeln“ und eine Hündin erst in diesem Alter weitgehend erwachsen ist. Ansonsten hilft es oft, die Hündin abzulenken und „zwangszubespaßen“, damit sie auf andere Gedanken kommt. Zeit zum Durchatmen: der Anöstrus Wehret den Anfängen!? Auch unter Hunden gibt es eine freie Partnerwahl (wenn der Mensch sich nicht einmischt), und nicht jede intakte Hündin ist für jeden intakten Rüden interessant. Das hat unter anderem mit unterschiedlich aufgestellten Immunsystemen zu tun, und weil das Ziel ist, möglichst gesunden Nachwuchs zu bekommen, sucht man sich den Partner, dessen Immunsystem möglichst konträr zum eigenen ist. Außerdem müssen die Jungspunde lernen, wann sich der kräftezehrende Deckakt lohnt, und wann er verschwendete Energie ist. Intakte Rüden lernen das in der Regel sehr schnell, wenn sie denn die Gelegenheit dazu haben. Während mein Kastrat Piccolo hier im Hause vom ersten bis zum letzten Tag der Läufigkeit (und auch danach) Interesse bekundet und auch decken würde – denn dass er kastriert ist, hat ihm keiner verraten – hält sich der intakte Meier bis auf die wenigen Stehtage diskret zurück. Das ist auch eine Erfahrung, die viele Züchter und Halter von gemischtgeschlechtlichen, intakten Hundegruppen bestätigen. Stress hat hier während der Läufigkeit also in erster Linie der kleine Kastrat, und ich mit ihm. Wie soll er auch verstehen, dass die Hündin seines Herzens, mit der er außerhalb der Läufigkeiten eine Paarbindung pflegt, in dieser Zeit plötzlich nur noch Augen für „Johann Wolfgang von Klöten“ hat? Klar muss ich in den Läufigkeiten mehr regeln als sonst, bei Piccolo 2–3 Wochen lang, bei Meier 2–3 Stehtage lang, aber das ist gut machbar. Den Fehler sie zu trennen habe ich nur einmal in der ersten Läufigkeit gemacht – was dann tatsächlich die vielbeschworenen nächtlichen Heulkonzerte zur Folge hatte. Aber auch ich bin lernfähig, und inzwischen lasse ich sie zusammen und packe die Hündin nur in die Box – die dann allerdings im selben Raum steht – wenn ich nicht da bin. Damit fahre ich am besten, aber das muss sicherlich jeder für sich selbst und seine Hunde entscheiden. Trotzdem denke ich, dass man aufgrund des oben Geschilderten, Hunden wenigstens die Chance geben sollte, sich im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu bewähren und wichtige Lernerfahrungen zu sammeln. Und wenn der Versuch dann scheitert, kann man immer noch zum Skalpell greifen, aber dann eben bitte erst, wenn die Hunde erwachsen und durch die Pubertät durch sind. Fazit Aber mal ehrlich, die Tage, an denen Piranha steht, sind insgesamt maximal eine Woche pro Jahr, und da müssen wir nun mal durch! Zu groß ist der Nutzen der Sexualhormone, die einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung, das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Verhalten haben und das Risiko für viele Erkrankungen minimieren können. Und die nun mal zum Hund gehören, denn im Gegensatz zu Handyherstellern baut die Natur keine unnötigen Apps ein. Text von Sophie Strodtbeck https://www.wuff.eu/wp/die-intakte-huendin-das-unbekannte-wesen/ |