Beagle von der Theresienhöhe- to be different makes the difference -Kastration der Hündin aus verhaltensbiologischer SichtMedizinische Gründe werden bei der Kastration der Hündin – im Gegensatz zu der des Rüden – mit 81% als häufigste Indikation für diesen Eingriff angegeben, gefolgt von Haltergründen mit 64%. Verhaltensprobleme machen bei der Hündin hingegen gerade mal 14% aus (Mehrfachnennungen waren möglich). Nach dem Artikel über die Kastration des Rüden in WUFF 12/2010 behandeln Tierärztin Sophie Strodtbeck und Verhaltensbiologe Privatdozent Dr. Udo Gansloßer das Thema der Kastration der Hündin aus verhaltensbiologischer Sicht. Die Autoren vertreten und begründen eine Ansicht, die der heute gängigen zum Teil widerspricht. Die medizinischen Gründe für die Kastration der Hündin sind die Prophylaxe von Gebärmutterentzündungen, Gesäugetumoren und von Problemen, die im Zusammenhang mit der Scheinträchtigkeit, die korrekterweise als Scheinmutterschaft bezeichnet werden muss, auftreten können. Häufig wird eine Statistik aus dem Jahre 1969 (Schneider et al., 1969) herangezogen, als belegt wurde, dass das Mammatumorenrisiko bei Kastration vor der ersten Läufigkeit gegenüber unkastrierten Hündinnen 0,5 % beträgt, bei einer Kastration nach der ersten Hitze 8 %, und bei später kastrierten Hündinnen bei 25 % liegt. Dies lässt sich mit dem zyklusabhängigen Einfluss der Geschlechtshormone auf das Gesäuge erklären. Aber um diese Statistik wirklich bewerten zu können, muss man nicht nur die Prozentsätze der absoluten Zahlen von sowohl gut- als auch bösartigen Mammatumoren bei der Hündin in Betracht ziehen. Diese liegen nach unterschiedlichen Quellen bei 0,2- 1,8 % aller Hündinnen, was bedeutet, dass frühkastrierte Hündinnen ein Risiko von 0,001- 0,009% für eine Mammatumorerkrankung tragen. Bei Kastration nach der 1. Läufigkeit beträgt das Risiko 0,016 – 0,15 %, bei später kastrierten 0,05 – 0,5 %. Bei diesem geringen tatsächlichen Risiko der Erkrankung muss man sich daher fragen, ob das Thema Tumorprophylaxe einen alleinigen Grund für eine Kastration darstellen darf. Dies insbesondere auch, zumal es eindeutig nachgewiesen wirksamere (und im Gegensatz zur Kastration nebenwirkungsfreie!) Prophylaxemaßnahmen gibt. So sind beispielsweise der Verzicht auf allzu proteinhaltige Ernährung, der Verzicht auf hormonelle Läufigkeitsunterdrückung, sowie ein gutes Gewichtsmanagement, vor allem im ersten Lebensjahr, zu nennen. Denn bei Hündinnen, die bereits im Alter von 9–12 Monaten übergewichtig sind, ändert auch eine Kastration nichts mehr am Tumorrisiko! Gebärmutter-Eiterung Im Falle einer Pyometra gibt es zwar auch medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, aber die Kastration mit Entfernung der erkrankten Gebärmutter stellt das Mittel der Wahl dar. Aber rechtfertigt das Risiko, dass die Hündin irgendwann an einer Gebärmuttervereiterung erkranken könnte, eine Kastration, also die präventive Entfernung eines gesunden Organs? Der Gesetzgeber sagt im Tierschutzgesetz ganz klar nein, denn es gibt nur zwei Ausnahmen, in denen eine Kastration zulässig ist: erstens die Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung (hier ist die Nutztierhaltung gemeint!) und zweitens, um die Haltung eines Tieres zu ermöglichen. Beides ist hier nicht gegeben! Andere prophylaktische Maßnahmen sind allerdings sehr hilfreich im Kampf gegen die Pyometra. Erstens gilt es natürlich, als Halter einer Hündin für die Problematik der Pyometra sensibel zu sein und die Hündin, vor allem in den ersten acht Wochen nach der Läufigkeit, genau zu beobachten und auf die oben genannten Symptome zu achten. Zweitens sollte man auf eine hormonelle Läufigkeitsunterdrückung unbedingt verzichten, da die Hormongaben eine Erkrankung begünstigen, und drittens sollte man (nicht nur aus diesem Grund!) dafür Sorge tragen, dass die Hündin keinesfalls ungewollt gedeckt wird, da auch ein Trächtigkeitsabbruch durch Hormongaben ein großes Risiko für die Entstehung einer Gebärmuttereiterung darstellt. Hingegen sollten Hündinnen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, also unter einem Insulinmangel leiden, bzw. auf das vorhandene Insulin nicht ansprechen, auf jeden Fall kastriert werden! Die weiblichen Geschlechtshormone Gestagen und Östrogen können nämlich die Wirkung des Insulins im Gewebe behindern und so eine erfolgreiche medikamentöse Therapie des Diabetes unmöglich machen. Das „Problem“ mit der Scheinträchtigkeit / Scheinmutterschaft Die hormonellen Vorgänge sind dieselben wie bei belegten Hündinnen. In der Scheinträchtigkeit sorgt das Schwangerschaftshormon Progesteron für das eher anlehnungsbedürftige und ruhigere Verhalten der Hündin. Während der Scheinmutterschaft kommt dann das Elternhor-mon Prolaktin zum Zuge. Dieses ist verantwortlich für die Ausbildung des Gesäuges, die Milchproduktion, das Bauen von Nestern bzw. Wurfhöhlen, das Behüten und Bemuttern von Stofftieren und anderem. All das sind also rein physiologische Verhaltensmuster. Allerdings kann es zu diesen Erscheinungen nicht nur zyklusbedingt nach vorangegangener Läufigkeit kommen, sondern auch dann, wenn die Halterin oder eine andere Bezugsperson schwanger wird, oder ein Baby oder ein Welpe ins Haus kommt. Weil das Prolaktin direkt aus der Hirnanhangsdrüse kommt und auch ohne Beteiligung der Geschlechtsorgane über die Sinnesorgane oder andere Zentren im Gehirn aktiviert werden kann, findet man dieses Verhalten z.T. auch bei kastrierten Hündinnen. Eine Kastration zur Vorbeugung ist also nur in den Fällen erfolgversprechend, bei denen es sich um regelmäßiges, zyklusbedingtes Verhalten handelt. Aggressionsverhalten Anders bei Hündinnen, die das ganze Jahr über rüpelhaft sind und eine statusbedingte Aggression zeigen: in diesen Fällen wird sich das Aggressionsverhalten in den meisten Fällen noch deutlich verschlimmern, weil nach Wegfall des körpereigenen weiblichen Sexualhormons Östrogen das männliche Sexualhormon Testosteron, das auch bei Hündinnen in der Nebennierenrinde produziert wird, mehr Einfluss nehmen kann. Dies gilt insbesondere für Hündinnen, die mit erhobenem Bein markieren, ganzjährig Probleme mit Rüden haben und einen, auch für ihre Rasse, sehr robusten Knochenbau und eine sehr ausgeprägte Muskulatur besitzen, und außerdem für Hündinnen, die als einziger weiblicher Welpe in einem Wurf voller Rüden zur Welt kamen. In all diesen Fällen liegt ohnehin ein recht hoher Spiegel an Testosteron vor, der im intakten Fall wenigstens einigermaßen durch die weiblichen Östrogene „in Schach gehalten“ werden kann. Eine durch Angst, Panik oder Unsicherheit verursachte Aggression, sowie andere damit zusammenhängende Verhaltensprobleme, sind auch, genau wie beim Rüden, durch eine Kastration nicht zuverlässig beeinflussbar. Solche Hündinnen können durch Wegnahme der Sexualhormone zeitweise eher noch unsicherer werden (abhängig von ihrer sonstigen Persönlichkeit), da auch die weiblichen Sexualhormone angstlösend wirken und Selbstvertrauen schaffen. Ebenso ist bei Hündinnen, genau wie beim Rüden, aus verhaltensbiologischer Sicht eine Kastration vor dem Ende der (Verhaltens-!) Pubertät nicht anzuraten. Gerade die Östrogene tragen in der Pubertät wesentlich zum Umbau und der daraus resultierenden Reife von Gehirn und Verhalten, und damit zum Erwachsenwerden, bei. Fazit: Kastration der Hündin – ja oder nein? Text von Sophie Strodtbeck https://www.wuff.eu/wp/die-kastration-der-huendin-aus-verhaltensbiologischer-sicht/
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